Straßenkarte von Guinea-Bissau. U.S. Central Intelligence Agency. No Copyright
Straßenkarte von Guinea-Bissau

Guinea-Bissau – die Sprachen, die das Land prägen

von Dietrich Köster

Die Republik Guinea-Bissau ist mit 36.100 km² und 1,696 Millionen Einwohnern ein Kleinstaat an der Oberguinea-Küste Westafrikas. Er wird im Norden von der Republik Senegal und im Osten und Süden von der Republik Guinea-Conakry begrenzt. Beide Nachbarländer sind amtlich französischsprachig und wurden von Frankreich bis 1960 bzw. 1958 als Teile Französisch-Westafrikas (AOF) kolonisiert. 1886 sah sich die frühere Kolonialmacht Portugal gezwungen, in einem Vertrag mit Frankreich den nördlichen Teil von Portugiesisch-Guinea als Casamance an die französische Kolonie Senegal abzutreten.

Portugal war die erste europäische Seefahrernation, der es gelang, an der Westküste Afrikas entlang zu segeln. Dabei kam Nuno Tristão 1446 an der Küste des heutigen Guinea-Bissaus an der Stelle an, wo sich heute der Ort Cacheu am gleichnamigen Fluß befindet. Dieser sollte die erste Hauptstadt Portugiesisch-Guineas werden. Nachdem Portugiesisch-Guinea 1879 verwaltungsmäßig von den ebenfalls portugiesischen Kapverden-Inseln getrennt worden war, erhielt die unmittelbar vor der Küste gelegene Insel Bolama den Status der Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea, um diesen 1941 an Bissau zu verlieren.

Erst 1915 sollte Portugal die vollständige Kontrolle über das Hinterland seiner Kolonie mit der weitgehend moslemisch-geprägten Bevölkerung erlangen. Ein in Portugal ausgebildeter und in Portugiesisch-Guinea arbeitender kapverdianischer Agraringenieur namens Amilcar Cabral sollte 1956 den Partido Africano para a Independência da Guiné e de Cabo Verde (PAIGC) gründen. Ab 1963 ging diese Partei mit Unterstützung der damaligen Sowjetunion zum bewaffneten Kampf gegen die Portugiesen über. Er beschränkte sich aber auf das von Portugal beherrschte afrikanische Festland. Die Kapverden blieben von diesen militärischen Auseinandersetzungen unberührt.

Im Januar 1973 fiel Amilcar Cabral vermutlich einem Attentat aufgrund von Auseinandersetzungen innerhalb seiner Partei zum Opfer. Im selben Jahr wurde nach der Eroberung von weiten Landstrichen in Madina do Boé von der PAIGC am 24. September einseitig die Unabhängigkeit von Portugal erklärt. Erst nach dem Staatsstreich in Lissabon vom 25. April 1974 – heute auch als Nelkenrevolution bezeichnet – sollte Portugal diese Unabhängigkeit am 10. September 1974 anerkennen. Seitdem ist das Land durch politisch motivierte Morde an Führungspersönlichkeiten wie dem langjährigen Staatspräsidenten Nino Vieira und dem Generalstabschef Mane so stark in die Instabilität abgerutscht, daß es jetzt vor der Republik Benin der Staat mit den meisten Militärputschen in Afrika geworden ist.

Unter diesen Umständen leidet die Festigung der portugiesischen Sprache und des guinea-bissauischen Portugiesisch-Kreols:

Die Situation der portugiesischen Sprache in Guinea-Bissau

Trotz aller Wirren ist die portugiesische Sprache die de facto-Amtssprache, auch wenn der Status dieser Sprache keine Verankerung in der Verfassung besitzt. Sämtliche Behörden, Gerichte und das Parlament Nationale Volksversammlung des Landes verfassen ausnahmslos alle Dokumente stets auf Portugiesisch. Auch die Straßenbezeichnungen und die Denkmäler sind in aller Regel auf Portugiesisch gehalten.

Nach der Volkszählung von 1979 sprechen nur 11,1% der Bevölkerung Portugiesisch als Zweitsprache. Nach Stefanie Höhn sei diese Zahl nicht glaubwürdig, da Angehörige der gehobenen Bevölkerungsschicht automatisch als Portugiesischsprecher eingestuft würden.*

Hierbei muß als wesentlicher Faktor hervorgehoben werden, daß 59% der Bevölkerung Analphabeten sind. Nur 0,15% der Einwohner besitzen Portugiesisch als Muttersprache. Zu Letzteren dürften alle im Lande verbliebenen Portugiesen – hier “tugas” genannt – und die Personen unter den Afrikanern gehören, die in portugiesischer Zeit den Status eines sogenannten “Assimilado” von den damaligen Behörden verliehen bekommen haben. Hinzu kommt noch eine kleine Gruppe von libanesischen Kaufleuten.

Die meisten Portugiesischsprecher finden sich in der Hauptstadt Bissau und hier besonders im zentralen Bereich einschließlich des Geschäftszentrums, bekannt unter der Bezeichnung “a praça”. Während in der portugiesischen Zeit die Sprachnorm des Mutterlandes Portugal – die norma culta da Metrópole – mit viel Energie und großer Konsequenz durchgesetzt wurde, ist die Einstellung der Bissau-Guineer heute wesentlich liberaler.

Seit der Unabhängigkeit von Portugal im Jahre 1974 haben sich zahlreiche Brasilianismen und Nativismen in das Portugiesische des Landes eingeschlichen. Ausdrücke aus den zahlreichen lokalen Sprachen haben sich eingenistet und genießen einen hohen Beliebtheitswert. Diese Variante des Portugiesischen wird als Português guineense bezeichnet. Der Schulunterricht wird ausschließlich auf Portugiesisch erteilt. Da fragt sich Stefanie Höhn, ob dies tatsächlich immer möglich ist, wo doch angeblich nicht jeder Lehrer der portugiesischen Sprache mächtig sein soll.*

Portugiesisch ist auch die Sprache der Werbung und teilweise der Medien. Aufgrund der Lei 7/2007 ist der staatliche Hörfunk verpflichtet, 50% seiner Sendungen auf Portugiesisch auszustrahlen, und im Fernsehen muß der Portugiesisch-Anteil mindestens 80% betragen. Die nationalen elektronischen Medien besitzen Konkurrenz in den Auslandssendern Portugals und Frankreichs. Es handelt sich um:
Rádio Televisão Portuguesa Internacional (RTPI) Portugals und
Radio France International (RFI) und den Fernsehsender Canal France International (CFI) Frankreichs

Ein Zitat Amilcar Cabrals, dem Nationalhelden Guinea-Bissaus und der Kapverden, besagt:
“O português (a língua) é uma das coisas, que os tugas nos deixaram.”

Schließlich möchte ich noch die Umbenennungen einiger Ortschaften in Guinea-Bissau erwähnen:
Aus Aldeia Formosa wurde Quebo,
aus Colina do Norte – Cuntima
aus Duas Fontes – Bangacia
aus Nova Lamego – Gabú und
aus Teixeira Pinto – Canchungo.

Die zunehmende Verbreitung der französischen Sprache in Guinea-Bissau

Erschwerend kommt für die Behauptung des Portugiesischen die Gefahr hinzu, die von der französischen Sprache ausgeht. Das Land ist im Norden, Osten und Süden von den beiden amtlich frankophonen Staaten Senegal und Guinea-Conakry umgeben. Die Kulturabteilung der Französischen Botschaft und das Französische Kulturinstitut in Bissau sind eifrig bemüht, die französische Sprache zu fördern. An den Sekundarschulen ist Französisch Pflichtfach. Hier wird nach einem Lehrbuch, das an der Universität Grenoble speziell für Schüler Guinea-Bissaus entwickelt wurde, Französisch als Fremdsprache erlernt.

Hinzu kommt, daß es eine rege Handelstätigkeit von zugewanderten Senegalesen und Conakry-Guineern gibt, die das Marktgeschehen nicht unbedeutend mitbestimmen. Manch einer im Lande vertritt bereits die Auffassung, daß Französisch eines Teges Portugiesisch den Rang als erste europäische Sprache streitig machen könnte. Die Kulturinstitute Portugals und Brasiliens in Bissau können nur schwer mit dem Bildungsangebot des Französischen Kulturinstituts konkurrieren. Selber wurde ich im Jahre 1990 bei einer Fahrt von Bissau nach Cacheu von einem Einheimischen auf Französisch angesprochen. Ich gab ihm Auskunft in der von ihm bevorzugten Sprache, um ihm aber sogleich zu erklären, daß ich bei einer Fortsetzung des Gesprächs auf die Benutzung der Landessprache Portugiesisch Wert legte.

Im Jahre 1997 wurde der Peso bissau-guineense durch den westafrikanischen CFA-Franc (XOF) ersetzt. Dadurch erhielt Guinea-Bissau eine für afrikanische Verhältnisse stabile Währung. Diese Währung teilt sich das Land mit den ausschließlich amtlich frankophonen Ländern Senegal, Mali, Burkina Faso, Elfenbeinküste/Côte d’Ivoire, Togo, Benin und Niger. Alle in Guinea-Bissau zirkulierenden Banknoten sind nur auf Französisch beschriftet. Mit der Einführung der neuen Währung wurde Guinea-Bissau Mitglied der frankophonen Union économique et monétaire ouest-africaine (UEMOA). Schließlich ist Guinea-Bissau Mitglied der Organisation internationale de la francophonie (OIF) mit Sitz in Paris, die sich u.a. die weltweite Förderung und Verbreitung der französischen Sprache zum Ziel gesetzt hat.

Die Situation des guinea-bissauischen Portugiesisch-Kreols

Das portugiesisch-basierte Kreol Guinea-Bissaus – Crioulo guineense – ist aus dem jahrhundertelangen Kontakt der portugiesischen Kolonialherren mit der von ihnen kolonisierten Bevölkerung hervorgegangen. Der Wortschatz ist fast ausschließlich vom Portugiesischen übernommen worden. Dabei entstammen aber die grammatischen Strukturen den lokalen Sprachen.

Es werden drei Varietäten des Kreols unterschieden:
Crioulo de Bissau – Bolama
Crioulo de Bafatá – Geba
Crioulo de Cacheu – São Domingos – Ziguinchor
Dabei ist das Crioulo von Cacheu – São Domingos – Ziguinchor seit 1886 grenzüberschreitend verbreitet. Es wird auch in der Casamance, einem ehemaligen portugiesischen Kolonialgebiet, gesprochen.

Mit der Unabhängigkeit Guinea-Bissaus von Portugal haben die staatlichen Institutionen versucht sich des Kreols amtlich zu bedienen. Dies endete mit einem Fehlschlag, da Kreol zwar für die Verständigung in Alltagssituationen ausreicht, nicht aber für die präzise Formulierung von juristischen und anderen abstrakten Sachverhalten geeignet ist.
Eine große Rolle als einigendes Band hat das Kreol während des Kampfes der PAIGC gegen das portugiesische Militär in den Jahren 1963 bis 1974 gespielt.

Heutzutage nähert sich das Kreol immer stärker dem Portugiesischen an. Man spricht von decrioulização, die langfristig das Standardportugiesische an Boden gewinnen läßt. Nach Carlos Lopes** vom Instituto dos Estudos e da Pesquisa (INEP) ließe sich durch die Aufwertung des Kreols die erstarkende Stellung des Französischen am besten in Grenzen halten. Das bissau-guineische Kreol krankt im Gegensatz zum Kapverden-Kreol mit seinem ALUPEC – Alfabeto Unificado para a Escrita do Cabo-Verdiano an einer durchgängig fixierten und staatlich anerkannten Rechtschreibung.

Sinnvoll wäre es, wenn das INEP mit seinen teilweise in den 1980er Jahren in der damaligen Sowjetunion und in der früheren DDR ausgebildeten Forschern eine schriftliche Fixierung eines vereinheitlichten Kreols, das sich auf die Lautung des gesprochenen Wortes stützt und etymologische Kriterien unberücksichtigt ließe, zustande brächte. Ein Unterricht in einem derart ausgebauten Kreol könnte dann nach erfolgter Erprobung und Festigung als Grundlage für die Erteilung von Unterricht in der Zweitsprache Portugiesisch als erste Fremdsprache dienen.

Im Vergleich des Portugiesischen mit dem Kreol läßt sich festhalten, daß Portugiesisch seinen Schwerpunkt in der Schriftlichkeit besitzt und die Bedeutung des Kreols auf der Mündlichkeit fußt.

Die Rolle der indigenen Sprachen Guinea-Bissaus

Es gibt ungefähr 40 Bevölkerungsgruppen, die jeweils eine eigene westafrikanische Sprache, die jeweils der westatlantischen Sprachfamilie oder einer Mandesprache zugeordnet werden kann, sprechen.

Darunter sind die größten Ethnien:
die Balantas mit einem Anteil von 30%,
die Fulas mit 20%,
die Maníacas mit 14%,
die Mandingas mit 13% und
die Papéis mit 7%.

Wegen der Vielzahl der lokal gebundenen Sprachen kommt von vorne herein keine der einheimischen Sprachen als Amtssprache in Frage, da keine Ethnie einer anderen gönnte, daß eine dieser Lokalsprachen einen landesweiten offiziellen Charakter erhielte. Diese Sprachen werden vornehmlich in der islamisch geprägten nördlichen Landeshälfte und im Osten des Landes gesprochen. Sie sind ein ausschließlich mündliches Verständigungsmittel. Es gibt noch nicht einmal Ansätze um diese Oralität durch eine Verschriftung dieser Sprachen zu ergänzen. Im fernen Hinterland der Hauptstadt Bissau wird nur in seltenen Fällen Portugiesisch gesprochen.

Zusammenfassung

Als Fazit läßt sich festhalten, daß die portugiesische Sprache von allen 5 Países africanos de Língua oficial portuguesa (PALOP) zusammen mit Osttimor die schwächste Stellung in der Comunidade dos Países de Língua Portuguesa (CPLP) besitzt, auch wenn es faktisch die Amtssprache Guinea-Bissaus ist. Das Kreol besitzt mit 80% Verbreitung unter der Bevölkerung Guinea-Bissaus eine nicht unerhebliche Bedeutung als mündliches Ausdrucksmittel. Die zahlreichen indigenen Sprachen haben nur einen lokalen Charakter und sind auf der gesamtstaatlichen Ebene Guinea-Bissaus nahezu bedeutungslos.

* Stefanie Höhn, Kreolisch, Portugiesisch oder Französisch in Guiné-Bissau?, in: DASP-Hefte 9+10, 1987, Seite 3-5
** Carlos Lopes, Na Guiné-Bissau, Crioulo, Português ou Francês?, in: “Jornal de letras, artes e ideias”, 30. Juni 1986

Bibliographie und Internetographie

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About Marco Ramerini

I am passionate about history, especially the history of geographical explorations and colonialism.